Am Weihnachtsabend, gegen Mitternacht,
hat der Weltfrieden sich auf den Weg gemacht.
Von all den Gebeten und Wünschen geweckt,
rieb er sich die Augen und hat sich gestreckt.
Er trank einen Schluck und trat aus der Hütte
auf der einsamen Insel, genau in der Mitte
des Ozeans zwischen den menschlichen Welten,
mit Mütze und Schal, um sich nicht zu erkälten.
Das Sturmwolkentaxi trug ihn in die Räume
der schlafenden Menschen und in ihre Träume:
von Macht und Vermögen, von Schönheit und Ruhm,
vom Kleinbürgerstreben nach Hauseigentum,
von Shopping und Sex, Gewalt, Mordlust und Gier,
Karrieregedanken und Fabelgetier.
Von Krieg und Zerstörung und Angst vor der Spinne,
vom Wellenreiten in der Dachregenrinne.
Was er so erblickte – davon wurd ihm übel,
der Weltfrieden ist leider schrecklich sensibel.
Träume von Frieden, Gesundheit und Glück,
die gab es nur selten, drum fuhr er zurück
mit dem Sturmwolkentaxi in sein Inselhaus
und ruht sich dort ein Jahr vom Weihnachtswunsch aus.
Vielleicht hat er uns ja im Schlaf kurz gestreift
und bis nächstes Jahr sind wir alle gereift,
behalten ihn bei uns und arbeiten dran,
dass er sich nun endlich mal ausbreiten kann.
Helmuth Engels