Die Geschichte vom Traum

Ich hatte etwas geträumt. Einen schönen, netten Traum.

Doch: Kurz vor dem Aufwachen wurde eine der lieben Traumfiguren plötzlich panisch. Sie hatte irrsinnige Angst zu sterben. Sagte zu mir, ich darf nicht aufwachen, weil sonst stirbt sie ja. Wahnsinnig geworden.

Sterben? Meine Traumfigur? Glaubte plötzlich selbst zu sein?

Identifizierte sich mit sich selbst.

Was tun?

Normalerweise denke ich mir, sie ist nicht ganz bei Sinnen und wache einfach auf. Ist ja auch verrückt! Aber: Sie hatte mich bereits gefangen. Ich begann ihr zu erklären, dass es nur ein Traum, MEIN Traum, ist. Dass das alles ein Unsinn ist. Sie begann zu weinen.

Was tun?

Immerhin, im Traum hatte ich sie geliebt und ich erinnerte mich noch der Gefühle. Wollte ihr nicht wehtun. Tja, hab plötzlich wieder vergessen, dass es ein Traum ist. War genauso verrückt wie sie. Identifiziert mit meinem Traumkörper.

Beide saßen wir zusammen, voller Angst aufzuwachen. Und ich vergaß, dass nur ich aufwachen kann.

Na gut, ich musste sie “heilen”. Alle Traumfiguren sind “normal” und kümmern sich nicht ums Traum-Sterben. Aber sie war verrückt.

Also holte ich viele Therapeuten, um sie wieder zu einer normal funktionierenden Traumfigur zu machen. Alles mögliche. Auch viel “Atmen” wegen der Emotionen. Nehmt ihr diese blödsinnige Identität! Ich vertraute den Therapeuten. Und wieder konnte ich nicht aufwachen. “Zuerst muss sie geheilt sein, ich liebe euch alle ja so…”.

Irgendwann erzählte ich jemandem, dass das so paradox ist und ich aufwachen möchte. Plötzlich kamen alle über mich und wollten MICH heilen…

Da waren die Therapeuten, die wollten, dass ich wieder eine normal funktionierende Traumfigur bin.

Dann natürlich die Idioten, die meinten, ich solle brav arbeiten, Kinder bekommen usw. Die waren ohnehin nur zu ignorieren. Sie erzählten, wenn ich im Traum “gut” sei, würde ich “besser aufwachen”, “woanders”. Hab ich nicht kapiert!

Dann waren da die Philosophen, die begannen darüber nachzudenken, ob das jetzt ein Traum ist oder nicht. Und ob es ein Leben nach dem Aufwachen gäbe. Und ob man mir überhaupt erlauben könnte aufzuwachen.

Manche hatten Kulte, Religionen, und meinten, wenn ich nur fest daran glaube, was irgendjemand einmal sagte, dann werde ich sicher super aufwachen. Wenn ich es aber nicht glaube, muss ich nach dem Aufwachen gleich wieder einschlafen und weiterträumen, sehe dann aber anders aus.

Andere meinten, ich soll vergessen, dass es “mein Traum” ist, nein, es wäre der Traum von wem anderen, der soll “Gott” heißen, und wenn ich das nicht glaube, werde ich an einem ganz schlimmen Ort aufwachen. Ich sagte ihnen, “Ich kann ja nur dort aufwachen, wo ich einschlafe, oder nicht?”, aber mit denen konnte man gar nicht reden, wie Roboter haben sie immer wieder das Gleiche gesagt. Nach einer Weile ignorierte ich sie…

Und die Wissenschaftler! Die wollten exakt untersuchen, welchen Gesetzen diese Traumwelt unterliegt. Denn, wie im Traum üblich, gab es einige Merkwürdigkeiten. Sie fragten dauernd nur “warum? Warum?”. Ich hab mir meinen Traum kreiert und die wollten ihn in alle Einzelteile zerlegt wissen.

Manchmal kamen auch ein paar Verrückte – ja, alle waren plötzlich so verrückt – und meinten, mir helfen zu können. “Lehrer”. Sie meinten, zu “wissen”, wie ich aufwachen kann. Ich sollte merkwürdige Körperübungen machen. Yoga oder Tai Chi. Dann würde ich sicherlich aufwachen!

Wieder andere meinten, vor dem Aufwachen müsste mein Traumkörper erst voll “gesund” werden, und stachen Nadeln in mich rein. Sie haben gesagt, zum Aufwachen muss man die richtige “Balance” haben, sonst geht’s nicht. Und ohne starkes “Hara” gibt’s ohnehin kein Aufwachen. Ich glaubte ihnen und begann zu üben und zu üben.

Irgendwann war die Natur wieder stärker, mein echter Körper war ja längst ausgeschlafen. Und ich war wieder kurz vor dem Aufwachen. Habe den Wahnsinn wieder durchschaut und alle Übungen beendet.

Doch kurz zuvor kamen wieder neue Wesen und erregten meine Aufmerksamkeit. Und zwar solche, die von sich behaupteten, aufgewacht zu sein. Sie nannten sich “erleuchtet”. Und viele andere glaubten ihnen. Sie kamen zu mir und sagten: “Es gibt nix zu tun, gib dich einfach deinem Traum hin.”

Sie sagten, ich soll weiterträumen, aber einfach “bewusst”. Wissend, dass es ein Traum ist.

Sie sagten, sie wären “erwacht”. Ich verstand nicht ganz. Erwacht? Von MEINEM Traum? War sehr verwirrt.

Das waren jene, die mich verwirrten!! Waren sie Besucher von einem anderen Traum?

Waren sie Teil meines Traumes oder separat?

Und wieder rauchte mir der Kopf und ich konnte nicht aufwachen. Dieses Rätsel galt es zu lösen!

Mein echter Körper begann in der Zwischenzeit zu rebellieren. Ich spürte ihn “durch”, mein Traumkörper begann oft zu vibrieren, und da waren ja die so genannten “Tantriker”, die meinten, ich solle das alles genießen. Chakren, Kundalini, Energie und so. Immer noch besser als die, die einfach meinten, ich wäre “nervös”.

Tja, und wirklich, es gelang mir, meinen Traumkörper mit meinem echten Körper zu verbinden. “Echtes Yoga” halt. Stundenlange Glückseligkeit und Orgasmen. Der Traum erhielt eine andere Qualität. Unabhängig von außen, vom Traum selbst.

Aber: wie weiter?

Mit der Zeit verschwanden alle wieder und ich war allein. Allein mit meiner Glückseligkeit, verbunden mit meinem echten Körper (andere nannten mein echtes “Ich” gerne “Existenz”, klar, war ja alles, was in diesem Traum existierte. Ohne mein echtes “Ich” kein Traum, kein Traum-Ich, keine Traumwelt, keine Traum-Figuren).

Mal kamen Propheten, die meinten, in meine Traumzukunft sehen zu können. Die meinten zu wissen, wann ich aufwache, wann alle aufwachen. Ziemlich gestörte Leute.

Ich hab’ all diese Leute als “verrückt” angesehen und nicht erkannt, dass ich ja selbst verrückt bin, weil ich glaubte, von ihnen getrennt zu sein, weil ich mich – durch sie – selbst bewertet, identifiziert habe.

Und vergaß, dass es nur ein Traum ist.

Und vergaß, wer ich wirklich bin.

Alle haben mich so verrückt gemacht, dass ich selbst verrückt wurde und nicht mehr wusste, was nach dem Aufwachen ist. Angst vor dem total Unbekannten.

Wissend, es ist ein Traum. Wenn es nicht “echt” ist, wie sollte ich genießen? Gefangen im Traum, in der Illusion. Auf ewig?

Was tun, als Traumbewohner?

Da kamen plötzlich andere, und begannen mir zu “glauben”. Dass ich “erwacht” sei. Die haben mich total missverstanden, wollten “wissen”, wie man “aufwacht”. Aus MEINEM Traum? Pervers.

Gefahr! Sie nennen mich vielleicht “erleuchtet” und ich kann weder in Ruhe weiterträumen, noch aufwachen?!

Sollte ich jetzt in meinem Traum plötzlich herumlaufen, und anderen erzählen, dass ich nur träume? Total verrückt!

Wieder identifiziert? Den “Meister” spielen? Und plötzlich selbst daran glauben, dass die anderen aus MEINEM Traum aufwachen könnten? Wozu?

Was tun? Überhaupt etwas tun?

Woher der Wahn, zu glauben, ich müsste erst alle vom “Traum” überzeugen, um selbst wieder “heimkehren” zu können? Die Illusion, eine “Aufgabe” im Traum zu haben? So ein Quatsch!

Wie lange kann so ein Traum dauern? Gab es den Traum schon vor mir? Wird der Traum nach dem vollständigen Erwachen weitergehen? Und: Bin ich nicht längst schon voll erwacht?

Ich hab’ etwas geträumt. Ein schöner, netter Traum.

Doch: Kurz vor dem Aufwachen wurde eine der lieben Traumfiguren plötzlich panisch.

Ich muss wohl verrückt geworden sein.

Edgar Hofer