Rosen Leben und Tod

Die Rosen unter meinem Fenster verweisen nicht auf frühere Rosen; sie sind, was sie sind; sie existieren in Gott, heute. Zeit gibt es für sie nicht. Da ist nur die Rose, sie ist vollkommen, in jedem Augenblick ihres Daseins …

Der Mensch aber verschiebt oder erinnert; er lebt nicht in der Gegenwart, sondern beklagt mit rückwärts gewandtem Blick die Vergangenheit oder steht der Reichtümer die ihn umgeben, nicht achtend, auf Zehenspitzen, um die Zukunft vorauszusehen. Er kann nicht glücklich und stark sein, bis er mit der Natur der Gegenwart lebt, ausserhalb der Zeit.

In der Gegenwart ausserhalb der Zeit zu leben heisst keine Zukunft haben, und keine Zukunft zu haben, heisst den Tod annehmen – das aber kann der Mensch nicht. Er kann weder den Tod annehmen, noch im Jetzt leben, und wenn er nicht im Jetzt lebt, lebt er gar nicht.

Gerade diese Unfähigkeit zu sterben wirft den Menschen aus der Tatsächlichkeit des Lebens, das für alle normalen Tiere zugleich ein Sterben ist; und so widersinnig es klingt, aus dieser Unfähigkeit zu sterben, folgt unweigerlich die Unterdrückung des Lebens. Der Todesinstinkt verkehrt sich in eine spezifisch menschliche und entschieden morbide Form. Auf der Flucht vor dem Tod fällt der Mensch aus dem Jetzt in die Zeit, der Versuch, dem Tod des zeitlosen Augenblicks zu entkommen, mündet in die blinde Jagd nach der Zukunft.

Da der sekundäre Dualismus die Einheit von Leben und Tod zerstört, zerstört er auch die Einheit des ewigen Augenblicks, denn Leben, Tod und Ewigkeit sind eins in diesem zeitlosen Jetzt. Die Scheidung von Leben und Tod ist also letztlich dasselbe wie die Scheidung von Vergangenheit und Zukunft – und das ist die Zeit. Das bedeutet, dass das Leben in der Zeit ein Leben in Unterdrückung ist.

Entsprechend ist das nicht unterdrückte Leben nicht in der Zeit
… sondern wäre zeitlos oder in Ewigkeit.