Ninas Traum

Einst, als die Erde noch jung und nur Wüste war, war ich mir meiner nicht bewußt. Ich saß im Sand, doch ich erkannte mich selbst nicht. Ich war ein Körper ebenso wie die Abermillionen anderen Sandkörner.

Die Zeit verging und plötzlich bemerkte ich etwas Grünes, ganz Zartes, dass zwischen den Sandkörnern hervorlugte. Meine Neugier über dieses Wunder erwachte und so erkannte ich, dass ich anders war. Kein Sandkorn und auch nicht die grüne zarte Pflanze, die sich ihren Weg durch den Boden bahnte. Ich wunderte mich und beobachtete, wie die Pflanze wuchs und war ganz in mir.

Irgendwann bemerkte ich eine Bewegung in der Ferne. Als ich aufschaute, sah ich eine Andere, die auf mich zukam. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, doch sie trug etwas vor ihrem Körper. Sie hielt vor der Pflanze an und öffnete ihre Hände. Wasser ergoß sich über der Pflanze und sie begann zu wachsen. Die Andere setzte sich mir gegenüber und ich war nicht mehr allein. So saßen wir lange beisammen, während die Pflanze zu einem jungen Baum heranwuchs.

Später stand ich auf und ging weg. Nach ein paar Meter drehte ich mich um und sah mich dort mit der Anderen sitzen. Ich stand dort lange und beobachtete die zwei, mich und die Andere, die dort im Sand saßen. Währenddessen wuchs der Baum weiter.

Ich ging schließlich zu dem Baum und kletterte hoch auf den ersten Ast. Als ich mich dort niederließ, sah ich mich, wie ich dort unten stand und uns, mich und die Andere, beobachtete. Ich erklomm den nächsten Ast und den nächsten. Und jedes Mal sah ich mein früheres Ich, dass die anderen vorherigen beobachtete.

Der Baum wuchs derweil so hoch, dass er über den Himmel hinausragte. Ich erklomm den Gipfel. Die anderen vor mir konnte ich nicht mehr sehen, doch ich spürte sie alle und war mit ihnen verbunden.

Als ich mich umschaute, sah ich andere Menschen, die wiederum in Baumwipfeln saßen. Wir breiteten die Arme aus und aus unseren Händen strömte Energie. So waren wir verbunden.

Wieder verging viel Zeit. Bis sich schließlich die Energie in der Mitte bündelte und etwas Neues entstand. Zunächst noch ganz klein und zart. Ein wachsender Lichtwirbel, der sich immer weiter verdichtete, bis schließlich ein neuer Planet entstand. Wir standen auf und waren bereit.

Ich beugte mich zu einem Blatt des Baumes. In dem Blatt hatte sich Tau angesammelt. Ich formte meine Hände zu einer Mulde und schöpfte das Wasser. Die Anderen hielten es genauso. Dann betraten wir den neuen Planeten. Jeder an einer anderen Stelle und so verloren wir uns aus den Augen und waren uns trotzdem bewußt.

Der Planet war Wüste und ich schritt langsam durch den Sand. Ich weiß nicht, wie lange ich gewandert war, bis ich am Horizont einen Menschen entdeckte. Sie hockte auf dem Boden leicht nach vorne gebeugt und schaute auf etwas. Als ich schließlich näherkam, schaute sie hoch und ich erkannte mich selbst. Doch sie erkannte mich nicht. Vor der Pflanze blieb ich stehen und stillte ihren Durst mit dem Wasser in meinen Händen. Ich setzte mich gegenüber von mir, damit ich nicht so allein war.

Ich beobachtete, wie ich hoch schaute zu mir, der Träumenden, und fragte: „Hast Du es jetzt verstanden?“

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